23.11.2021
„Aufwertung der lokalen Gemeinschaft“ - Was die Reform des Dritten Sektors in der Praxis bedeutet erklärt Felice Scalvini im Interview
Andere InstitutionDachverband für Soziales und Gesundheit
Mit der Reform des Dritten Sektors hat Italien eine neue gesetzliche Grundlage für die Arbeit von Vereinen und gemeinnützigen Organisationen vor allem im sozialen Bereich, geschaffen. Die Idee dahinter ist, mit Hilfe von Organisationen im Non-Profit-Bereich die Basis für moderne Welfare-Systeme aufzubauen. Ein Vorreiter in diesem Bereich ist Felice Scalvini, der am 24. November zu einer Tagung über das Thema nach Bozen kommt. Im Interview erklärt er vorab, was die Reform des dritten Sektors in der Praxis bedeutet.
Interview: Irene Schlechtleitner
Was ist das besondere an der Reform des Dritten Sektors?
Felice Scalvini: Das Ziel der Reform des 3. Sektors ist eine Neuordnung des Nonprofit-Bereiches. Zum ersten Mal wird hier das Subsidiaritätsprinzip, das 2001 in unsere Verfassung aufgenommen wurde, rechtlich umgesetzt: Damit sind Bürgerinnen und Bürger, die in Organisationen und aus dem Non-Profit-Bereich Tätigkeiten im allgemeinen Interesse ausüben, den öffentlichen Einrichtungen gleichgestellt. Alle Entscheidungen und Projekte für eine Gemeinde beispielsweise müssen künftig im Rahmen der sogenannten Co-Programmierung, Co-Planung und Akkreditierung gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden.Aus Ihrer Sicht ein revolutionärer Schritt bei der Organisation von Dienstleistungen vor Ort?
Felice Scalvini: Eindeutig ja, auch wenn die Revolution weit zurückliegt. Sie ist in den Gesetzen zur Anerkennung der Freiwilligenarbeit und der sozialen Zusammenarbeit verankert, die vor dreißig Jahren erlassen wurden, sowie in der Änderung der Verfassungscharta, mit der das Subsidiaritätsprinzip im Jahr 2001 eingeführt wurde.Können Sie uns – aus Ihrer langjährigen Erfahrung heraus - Beispiele von gelungenen Projekten nennen, die auch in unserer Region erfolgreich umgesetzt werden könnten?
Felice Scalvini: Am besten kenne ich natürlich die Erfahrung aus Brescia. Dort habe ich das Projekt "wettbewerbsfreie Stadt” umgesetzt. Das war allerdings vor der Reform des dritten Sektors. Mittlerweile gibt es in ganz Italien viele Beispiele von erfolgreicher Co-Programmierung und Co-Planung. Der Region Trentino-Südtirol kann ich nur empfehlen diesen Weg mit Überzeugung zu beschreiten, es geht schließlich um die Aufwertung der Gemeinschaft vor Ort.Welches bleiben aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?
Felice Scalvini: Vielleicht eine gewisse Zurückhaltung bei der Änderung gefestigter Verhaltensweisen, sowohl auf Seiten der öffentlichen Hand als auch auf Seiten des dritten Sektors und der Sozialunternehmen.Welche Rolle werden die Organisationen, die den Dritten Sektor vertreten, bei einem künftigen Konsultationstisch in diesem Sinne spielen?
Felice Scalvini: Ich würde nicht von einer Rolle, sondern von einer Aufgabe sprechen und den Organisationen vor Ort raten, sich gut vorzubereiten. Sie sollten selbst Experten für partizipative Planungsprozesse werden. Es ist sehr wichtig, sich mit lokalen und anderen Forschungs- und Studienzentren zu vernetzen, um in der Lage zu sein, Co-Programmierungs-Prozesse mit einer allgemeinen und fundierten Sichtweise zu behandeln und diesen Ansatz an die eigenen Mitglieder weiterzugeben. Wahrscheinlich wird es notwendig sein, spezifische berufliche Fähigkeiten zu erwerben und Schulungen zu absolvieren. Es bleibt eine große Herausforderung, die einen großen Beitrag zur Zukunft der Genossenschaftsbewegung leisten kann, wenn sie richtig angegangen wird.Interview: Irene Schlechtleitner
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