17.02.2025
Das Messie-Syndrom: Wenn Loslassen unmöglich wird. Erste Selbsthilfegruppe gestartet
SelbsthilfeEin Mensch, der vom Messie-Syndrom betroffen ist, hat den zwanghaften Drang, Dinge zu sammeln und zu horten. Kleider, Strümpfe, Bettwäsche, Zeitungen, alte Blumentöpfe, Kinderspielzeug, Einweckgläser…, alles „muss“ aufbewahrt werden.
In Südtirol sind weit mehr Menschen davon betroffen, als wir vielleicht annehmen möchten. Dr. Martin Fronthaler, Leiter des Therapiezentrums Bad Bachgart, geht von bis zu 20.000 Betroffenen in Südtirol aus. Es sind Frauen und Männer aus allen sozialen Schichten. Nur eine Minderheit lebt allerdings – entgegen einem gängigen Vorurteil – zwischen Essensresten, Schmutz und Müll. Meistens sieht man Messies nicht an, welches Chaos bei ihnen zu Hause herrscht. Nach außen hin können sie gut funktionieren und im Beruf erfolgreich sein.
Berta Pircher, 38, ist in einem Messi-Haushalt aufgewachsen. Für sie war die Situation als Kind nicht nachvollziehbar und überfordernd. Niemand konnte ihr erklären, warum ihr Zuhause anders war als in anderen Familien. „Es war ein erdrückendes Gefühl im Alltag und beschämend, etwa wenn Freundinnen zu Besuch waren“, erzählt sie: „Natürlich gab es Versuche, Ordnung ins Chaos zu bringen. Immer wieder haben wir aufgeräumt und versucht, Sachen wegzuschmeißen. Aber es half nichts und hat alles nur noch schlimmer gemacht.“
Durch die Verzweiflung und Ohnmacht dieser Zeit war Berta Pircher traumatischem Stress ausgesetzt. An den Folgen arbeitet sie noch heute. Gleichzeitig hat sie früh gelernt, mit widrigen Umständen umzugehen. Trotz all dem Chaos (oder vielleicht gerade deshalb) hat sie Stärken entwickelt und steht heute gut im Leben. Sie hat sich eingehend mit der Problematik auseinandergesetzt und möchte dies nun gemeinsam im Austausch mit anderen tun. Deshalb hat sie nun eine Selbsthilfegruppe für Betroffene und Angehörige gegründet.
Es haben sich sehr viele Interessierte gemeldet und zum Start sind schließlich 10 Personen gekommen. Eine bunte Mischung aus Betroffenen, Angehörigen oder von Personen, die im Bekanntenkreis Betroffene kennen. Es waren alles Personen, die aus dem Raum Bozen, Meran und Umgebung und dem Vinschgau kommen. Berta Pircher, die Gruppengründerin, hat berichtet, dass sich noch eine ganze Reihe von weiteren Personen gemeldet haben, für die es aber zu umständlich ist, nach Lana zu kommen. Dazu ist zu sagen, dass grundsätzlich auch in weiteren Landesteilen Gruppen entstehen könnten, wenn sich genügend Interessierte dafür melden. Zudem wurde bei dem ersten Treffen auch deutlich, dass es für diese spezielle Problematik überall noch an Sensibilität fehlt, besonders auch in gängigen Anlauf- und Beratungsstellen für Familien, Sprengeln etc. wo Hilfesuchende einfach nicht wirklich ernst genommen werden.
„Die Selbsthilfegruppe bietet einen sicheren und wertschätzenden Raum, in dem der Mensch hinter dem Chaos gesehen wird, wir einander zuhören und uns gegenseitig verstehen möchten”, erklärt Berta Pircher: „Häufig wird die prekäre Situation nicht wirklich ernst genommen. Menschen, die am Messie-Syndrom leiden, brauchen niemand, der Ordnung in ihr zuhause bringt, sondern vielmehr fachliche Hilfe und einen sicheren Raum, die tieferliegenden Themen zu betrachten und bearbeiten zu können. Und auch die Angehörigen brauchen einen solchen Raum, weil sie von ihrem Umfeld oft nicht verstanden werden.“
Interessierte an der Thematik können sich gerne melden. Diskretion wird selbstverständlich zugesichert. Weitere Infos unter Tel. 0471 1888110 oder selbsthilfe@dsg.bz.it oder Tel. 333 3837555, bzw. E-Mail an selbsthilfe@happy-bee.org.
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