18.05.2015
Selbstpflege und Selbstfürsorge im Pflegealltag
Dachverband für Soziales und GesundheitSelbsthilfe
Der Großteil der Pflegebedürftigen wird zu Hause von Angehörigen betreut. Ihr Einsatz, meist rund um die Uhr, gilt in unserer Gesellschaft als selbstverständlich. Pflegende Angehörige sind aber ebenso „betroffen“ wie die Betroffenen selbst, sie erleben die Situation einfach nur aus einer andern Optik und Betroffenheit. Dafür wollte eine Tagung in Bozen sensibilisieren.
Bis auf den letzten Platz besetzt war die Tagung „Von der Pflege zur Achtsamkeit - auch sich selbst gegenüber“, die gemeinsam vom Verein AMA, der Caritas Hospizbewegung und der Dienststelle für Selbsthilfegruppen im Dachverband für Soziales und Gesundheit am 16. Mai 2015 in Bozen organisiert worden ist. Dort standen einmal nicht nur wie gewohnt die 13.000 Pflegebedürftigen in Südtirol im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern besonders jene Menschen, die sich täglich um ihr Wohl kümmern.Pflegealltag in Südtirol
Von den in Südtirol lebenden 13.000 pflegebedürftigen Menschen werden zwei Drittel zu Hause gepflegt und zwar vorwiegend durch Angehörige, meist Frauen im fortgeschrittenen Alter.
Vielfältige Belastungen durch die Pflege
Einen pflegedürftigen Menschen zu betreuen ist eine schwere Aufgabe. Zu den körperlichen, seelischen und sozialen Belastungen kommen häufig auch noch finanzielle hinzu, die es gilt zu bewältigen. Nicht selten überfordern sich die pflegenden Angehörigen dabei in bedenklichem Maße. Die körperlichen Anstrengungen sind groß, der Schlaf wird knapper und für eigene Interessen und den Freundeskreis bleibt immer weniger Zeit. Oft wird die Pflege parallel zum eigenen Berufs- und Privatleben geleistet. Das ist schwer vereinbar und sorgt für Stress, aber zugleich auch häufig für ein schlechtes Gewissen, wenn man nicht alles geben kann.
Belastungen können krank machen
Pflegende Angehörige setzen oft ihre eigene Gesundheit aufs Spiel. Krankheiten wie Kreuzbeschwerden und Burn-Out-Syndrom werden oft verschwiegen. Dringend notwendige Kuraufenthalte werden aus Sorge um den zu Pflegenden oft nicht in Anspruch genommen. Die Folgen zu hoher Belastung durch den Pflegealltag sind auf Dauer schwerwiegend: Körperliche Beschwerden und Stressreaktionen sind häufig. Aber auch Erschöpfung, Gereiztheit, Nervosität und Unzufriedenheit sind typische Folgen. Dass die Pflegearbeit sie überfordert, erkennen viele erst, wenn sie mit Schlafstörungen, starken Schmerzen oder Burnout eindeutige Symptome zeigen.
Sich um sich selbst kümmern
Es braucht eine gute Portion Selbstbewusstsein, um sich als pflegender Angehöriger in unserer Kultur wirklich gut um sich selbst zu kümmern und dafür zu sorgen, dass neben der Pflege und Hilfe für den pflegebedürftigen Partner/die Partnerin oder das Familienmitglied, genügend Zeit für sich selbst bleibt. Zeit sich zu regenerieren, Zeit für sich selbst und für Dinge, die Spaß machen, Kraft und Energie schenken.Angehörige brauchen Mut, sich für eigene Projekte (Hobbies, Ferien,…) Zeit und Raum zu nehmen und ganz konkret nach Entlastungsangeboten Ausschau zu halten, die dann die nötigen Freiräume ermöglichen. Und das bedeutet häufig auch intensive Gespräche mit dem Pflegebedürftigen, der nachvollziehen muss, warum diese Auszeiten und Freiräume so wichtig für den Angehörigen sind. Genauso wie bei den erkrankten Personen geht es auch für die Angehörigen um ihr körperliches und seelisches Wohl, um die Erhaltung und Förderung ihrer Gesundheit. Sicherlich ist all dies vielen Angehörigen theoretisch „eigentlich“ ganz klar, aber die gewohnte Blickrichtung auf den betroffenen Menschen, der Hilfe, Begleitung und Pflege braucht, ist sehr stark.
Belastungen verringern
Um die seelischen Belastungen zu verringern, gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, die eigenen Nöte ernst zu nehmen. Seelische Belastungen sind nicht harmlos. Pflegende Angehörige dürfen sich selbst und ihre Wünsche ans eigene Leben nicht vernachlässigen: Sie müssen sich genügend Zeit für Entspannung, Erholung und Ausgleich nehmen. Man muss die eigenen Grenzen erkennen und respektieren. Wie bei jeder Arbeit müssen Freizeit und Urlaub hin und wieder sein.
Besonders hilfreich ist es, wenn man mit jemandem über seine Sorgen und Gedanken sprechen kann. Das entlastet nicht nur, sondern dadurch können sich zudem Ideen und Lösungswege eröffnen. Wer von uns hat nicht schon das Gefühl der Erleichterung erfahren, wenn man sich mit anderen austauschen konnte, die in einer ähnlichen belastenden Situation waren? Solche Begegnungen sind in einer Selbsthilfegruppe möglich. Dort erfahren pflegende Angehörige gegenseitige emotionale Unterstützung, praktische Informationen und Tipps und sie lernen wieder, achtsam mit sich selbst umzugehen. Dies wiederum wirkt sich positiv auf die gesamte familiäre Situation aus.
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