13.03.2015
„Non-Profit braucht Rückendeckung“ - Nachlese zur Vollversammlung des Dachverbandes
Dachverband für Soziales und GesundheitSoziale Organisationen sind einem sich verschärfenden Existenzkampf ausgesetzt. Einige kämpfen nun ums Überleben. Der soziale Kitt droht verloren zu gehen. Es braucht sofort Hilfe, fordert der Dachverband für Soziales und Gesundheit. Landesrätin Stocker kündigte an, dass im April das neue Vergabegesetz und das neue Landesgesetz für Menschen mit Behinderung stehen sollen.
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Heute, Freitag, 13. März 2015 fand in der Handelskammer Bozen die Vollversammlung 2015 des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit statt. Die Delegierten der 54 Mitgliedsorganisationen mussten ein brennendes Thema behandeln: Wie soll die Arbeit der gemeinnützigen Organisationen künftig gestaltet und gefördert werden, damit sie auch weiterhin bestehen können? „Non-Profit-Organisationen stehen zunehmend im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und ihrem sozialen Auftrag. Wir brauchen unbedingt mehr Rückendeckung und Zusammenhalt“, sagte Dachverband-Präsident Martin Telser in seiner Begrüßungsrede: „Wir erleben derzeit einen schleichenden Prozess, wo einiges, was im Laufe von Jahrzehnten mit viel Begeisterung und Engagement aufgebaut worden ist, den Bach hinuntergeht. Die Lage ist ernst. Der Kitt im Sozialwesen droht verloren zu gehen. Vor allem die Motivation der vielen ehrenamtlich tätigen Menschen geht verloren.“
Vor einem Jahr wurde Telser in sein neues Amt gewählt. Und es war kein einfaches erstes Jahr, weil immer mehr soziale Organisationen unter Druck sind. Einigen geht nun langsam die Luft aus. Sie kämpfen ums Überleben und sind gezwungen, Dienste und Angebote zu streichen, teils auch Personal zu entlassen, oder aber die Kosten den Betroffenen in Rechnung zu stellen.
Mittelkürzungen, strengere Vergabekriterien für öffentliche Beiträge, maßgebliche Einschränkung inhaltlicher Handlungsspielräume, zu starke Steuerung und Kontrolle, Gleichsetzung von Non-Profit-Organisationen mit kommerziellen Anbietern, – das sind Entwicklungen, unter denen speziell das freie Wohlfahrtssystem leidet. Die geschilderten Rahmenbedingungen führen zu einer Auszehrung des Non-Profit-Sektors, d.h. zu einem Verlust von Autonomie, sowie zu einer großen Belastung des Ehrenamts - mit zunehmender Mehrverantwortung der Vereinspräsidenten. Dazu kommt die große Unsicherheit über die künftigen Entwicklungen der Fördermaßnahmen aus dem Volontariatsfonds und von der Stiftung Südtiroler Sparkasse, die bislang wichtigsten privaten Unterstützer des Bereichs.
Dabei haben soziale, gemeinnützige Organisationen gerade jetzt besonders viel zu tun. Der soziale Bedarf wird größer, immer mehr Menschen sind auf Hilfe angewiesen. Gleichzeitig stehen Non-Profit-Organisationen, Vereine und Sozialgenossenschaften verstärkt unter wirtschaftlichem Druck. Sie leiden darunter, dass viele öffentliche Gelder seit einigen Jahren gekürzt oder gestrichen werden. Es wäre eine grundlegende Reform des Beitragswesens nötig – das wird zwar schon lange diskutiert und von den Organisationen sind immer wieder Empfehlungen vorgebracht worden, konnte aber bislang nicht umgesetzt werden.
Zunehmend bedroht die Bürokratisierung und die Gleichbehandlung mit kommerziellen Anbietern die Identität der sozialen Organisationen. Sie sind in ein enges Korsett aus Regelungen geschnürt, müssen sich an die rigiden Vorgaben der öffentlichen Verwaltung richten und sich auf eng definierte Leistungsziele konzentrieren (Stichwort Akkreditierung). Dadurch treten gemeinwesenbezogene Konzepte in den Hintergrund, der Blick auf nicht-quantifizierbare Ressourcen und Ergebnisse geht verloren. Non-Profit-Organisationen implementieren verwaltungstechnische bzw. wirtschaftliche Standards und vernachlässigen darüber ihr eigentliches ursprüngliches Wesen. Vor allem bei der Führung von sozialen Diensten gibt es arge Probleme, weil die Finanzierung dieser Tätigkeiten, anders als bisher, nicht mehr in direkter Beauftragung, sondern nur nach erfolgreichem Zuschlag im Rahmen eines Wettbewerbs erfolgt. Das führt dazu, dass immer mehr Non-Profit-Organisationen Aktivitäten, die sie meist selbst initiiert und meist auch mit viel freiwilligem Engagement aufgebaut haben, in andere Hände legen müssen, die bei der Ausschreibung geschickter agiert haben. Die Folge: Nicht nur eine lange Erfahrung, Kompetenz und Verantwortungsübernahme gehen verloren, sondern auch die Motivation, immer neu und mit viel Kreativität auf die Nöte von Menschen in schwierigen Lebenslagen einzugehen.
„Die Politik muss bessere Rahmenbedingungen für gemeinnützige Organisationen schaffen“, forderte Telser und zwar durch: sichere Finanzierung, Planungssicherheit für die gemeinnützigen Organisationen, durch klare und angemessene gesetzliche Grundlagen (Landesgesetz Menschen mit Behinderung, Landesgesetz 13/91 zum Volontariat, Landesgesetz 13/1991 zur Neuordnung der sozialen Dienste), durch Direktvergabe von Sozialen Dienstleistungen ab sofort und künftig mit Regelung durch das neue Vergabegesetz, und durch Absicherung von bürgerschaftlichem Engagement und Freiwilligeneinsatz.
Landesrätin Martha Stocker kündigte an, dass das neue Vergabegesetz im April endlich stehen soll, ebenso das neue Landesgesetz für Menschen mit Behinderung und somit sollte es, gerade was die brisante Thematik der Ausschreibungen betrifft, einige Verbesserungen geben. Es ist aber auch sonst noch einiges im Köcher, so sollen Maßnahmen sozialer Abfederung von Notlagen und bei den Mietbeiträgen verbessert werden und auch bei dem lang ersehnten Haus des Sozialen bewegt sich etwas weiter. Anvisiert ist eine Struktur in Bozen, die viele verschiedene soziale Organisationen als gemeinsame Struktur nutzen könnten. Das würde Kosten sparen helfen und Synergien könnten besser genutzt werden.
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